Bonn, 25. Oktober 1996 Herrn Sehr geehrter Herr Painke, für Ihr Schreiben vom 28.09.1996 danke ich Ihnen. Zu den von Ihnen gestellten Fragen mit Bezug auf Nuklearwaffen in Deutschland ist die Bundesregierung an die im Bündnis gemeinsam festgelegte, verpflichtende Geheimhaltung gebunden. In Übereinstimmung mit der Praxis aller Bundesregierungen können daher auch weiterhin Aussagen und Behauptungen zu mutmaßlichen Lagerorten und Transportwegen nuklearer Waffen – insbesondere aus Sicherheitsgründen – weder bestätigt noch dementiert werden. Ihre Bewertung des IGH-Gutachtens vom 08. Juli teile ich nicht. Das Gutachten zeigt, daß der Gerichtshof zur Kenntnis nimmt, daß die Staatenpraxis noch nicht zu einem generellen Verbot von Nuklearwaffen gelangt ist. Es bezeichnet den Besitz von Nuklearwaffen durch die Kernwaffenstaaten und die zugrundeliegende Abschreckungsstrategie daher nicht als völkerrechtswidrig. Die Bundesregierung sieht sich durch das Gutachten in ihrer Auffassung bestärkt, daß bei Androhung oder Einsatz von Nuklearwaffen Art. 2, Abs. 4 und Art. 51 der VN-Charta, die Regeln der Verhältnismäßigkeit sowie die auf alle Waffen anwendbaren Regeln des humanitären Völkerrechts zu beachten sind. Die geltende Verteidigungsstrategie des Bündnisses bleibt – auch im Lichte des IGH-Gutachtens – mit dem Völkerrecht vereinbar. Das Bündnis hat bereits bei seinem Gipfeltreffen in Rom im November 1991 festgestellt: Der grundlegende Zweck der nuklearen Streitkräfte der Bündnispartner ist politischer Art: Wahrung des Friedens und Verhinderung von Zwang und jeder Art von Krieg. In Umsetzung des in Rom verabschiedeten Neuen Strategischen Konzepts und mit Blick auf die gewandelte sicherheitspolitische Lage in Europa hat die Allianz seither ihr nukleares Dispositiv drastisch, d.h. um mehr als 80% reduziert. Mit freundlichen Grüßen
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